Begegnungen

    An einem schönen Sonntagmorgen wurde ich in aller Frühe abgeholt, um mit den anderen aus dem Flötenkreis in einem Afrikaans-Gottesdienst zu spielen. Eine aus der Afrikaans-Gemeinde holte mich ab und wir unterhielten uns über die Universität und meine Erfahrungen hier. Als ich meinte, ich würde es hier mögen, aber es sei etwas chaotisch, fiel sie mir ins Wort um sich über die "unorganisierten & chaotischen Afrikaner" aufzuregen. "Die Afrikaner sind allesamt faul und wenn es uns [Europäer/Weiße] nicht geben würde, würden sie den ganzen Tag nur ihre Tiere angucken und nichts auf die Reihe bekommen." (Originalzitat auf Englisch). So schnell wie das Thema aufkam, verschwand es auch wieder, plötzlich redete sie über ihre musikalischen Erfahrungen und welche Instrumente sie gerne spielen würde. 

    Nach dem Gottesdienst unterhielt ich mich mit zwei Frauen aus der deutschen Gemeinde (~50 Jahre alt & ~65 Jahre alt). Es ging um namibische Geschichte & dass das in Deutschland selten ein Thema ist. Die zweite Frau schaltete sich ein, um zu berichten, dass an den Knochen von schwarzen Hausangestellten von vor 100 Jahren Spuren von schweren Misshandlungen gefunden wurden. Anstatt betroffen zu sein, leugnete die jüngere Frau alles. "Die suchen doch nur einen Grund uns zu hassen. Wir haben die immer behandelt wie Familie. Eine Frechheit." Die andere Frau stimmte ihr zu: "Ja, die sollte mal überlegen, wo die ohne uns wären." "Total, ohne uns hätten die keine Autos, keine Infrastruktur und keine dicken Portmonaiees." 
    "Außerdem kennen die ihre eigene Geschichte nicht. Der Maherero hat noch vor von Trothas Befehl einen Angriff auf deutsche Soldaten befohlen." "So nämlich. Die haben angefangen." 

    Nach diesem menschenverachtenden Ausbruch habe ich das Gespräch wortlos verlassen. Bei Genozidleugnung ziehe ich dann doch die Grenze. Ich war auch ehrlich gesagt einfach total sprachlos. 

    Josef, unser Tourguide im Sossusvlei (Blogeintrag folgt), ist ne wilde Maus. Noah (deutschen Austauschstudi) findet er ganz beeindruckend, weil er seiner Freundin in Deutschland treu bleiben möchte. Er möchte später mal eine große Familie haben, ist aber momentan immer im ganzen Land unterwegs um Touri-Gruppen Namibia zu zeigen. Seine Erzählungen waren wirklich ganz wunderbar und wir haben viel über die Wüste und die verschiedenen Landschaften gelernt. 

    Am letzten Abend haben wir uns ein bisschen länger unterhalten. Er fragte mich, ob die Deutschen hier im Land anders sind, als die Deutschen in Deutschland. Als ich ihm sagte, dass ich denke, die Deutschen hier im Lande seien wesentlich rassistischer (bzw. offener rassistisch) war er nur überrascht, dass ich das so offen ansprach. Er fragte mich, wie mir das aufgefallen sei (Eintrag über diese Begegnung folgt nach dieser). Als ich etwas rumdruckste, weil ich das das gesagte nicht vor ihm wiederholen wollte, meinte er, ich könnte es ruhig sagen, das meiste hätte er eh schon gehört. 

    Ich beschrieb ihm also was ich gehört hatte. Seine Reaktion war nur "The sad thing is: I´m not even shocked cause we´ve heard it all before." 
    Auf meine Frage, wie man damit umgeht, dass potentiell die Person vor dir an der Supermarktkasse nicht als vollwertigen Menschen ansieht, antwortete er: "Der einzige Trost ist, dass sie einem das nicht ins Gesicht sagen."
    Einer der Gründe für diesen tiefsitzenden Rassismus ist laut Josef das Schulsystem. Es gibt deutsche Privatschulen, Privatschulen auf Afrikaans und öffentliche Schulen. Drei mal dürft ihr raten, welche Kinder auf welche Schulen gehen? Dadurch würden sich die Kinder nicht gegenseitig kennenlernen und alle bleiben in ihrer Bubble. 

    Das hat mich einfach super nachdenklich gemacht. 

    Content Note: Vergewaltigung, Gewalt

    Wow! Ich sitze gerade in meinem Hotelzimmer und muss ganz schnell alles aufschreiben, aus Angst etwas zu vergessen. Ich hatte gerade ein super interessantes Gespräch. Ich kann euch diesmal leider keine Namen geben, da wir uns nicht vorgestellt haben, aber damit müsst ihr leben :D 

    Angefangen hat das Gespräch mit der Verbreitung von Afrikaans in Namibia und dem Fakt, dass alle diese Sprache in der Schule lernen. Plötzlich fragte einer der namibischen Männer, warum Menschen nur Entschuldigungen von Deutschland fordern für die kolonialen Verbrechen und den Genozid an den Herero und Nama und Südafrika in Frieden lassen. (Kontext: Namibia war nach der deutschen Kolonialzeit Teil von Südafrika und in der Zeit herrschte auch hier das Apartheidssystem)

    Er erzählte uns von seiner Kindheit auf einer deutschen Farm, auf der seine Eltern arbeiteten. Er sprach von der finanziellen und materiellen Abhängigkeit seiner Familie der weißen Familie gegenüber und der Macht, die diese Abhängigkeit mit sich brachte. Er erzählte uns von körperlicher Gewalt auf der Farm und in der Schule und vom allgemeinen Rassismus in der Gesellschaft. Außerdem erzählte er uns vom systematischen Rassismus, der beispielsweise die Beziehung zwischen einer weißen Frau und einem schwarzen Mann verbot, auch wenn diese einvernehmlich war. Zeitgleich konnte ein weißer Mann aber eine schwarze Frau auf seiner Farm vergewaltigen ohne bestraft zu werden. 
    Sie erzählten uns von der Angst vor weißen Menschen und das Ohnmachtsgefühl das entstand, weil das System gegen sie arbeitete. 

    Sie erzählten aber auch von netten weißen Menschen, die schwarze Menschen unterstützten. Diese wurden aber oft von den einflussreicheren Farmbesitzern dazu gedrängt, sich den rassistischen Normen zu beugen. 

    Dieser Teil der Geschichte wurde bis heute kaum aufgearbeitet und hat noch Auswirkungen bis heute. Abgesehen von der Verteilung von Land und Ressourcen gibt es auch gesellschaftlich deutliche Spuren dieser Zeit. So bekommen Gruppen, die aus weißen und schwarzen Menschen bestehen auch heute komische Blicke oder Kommentare ab. 

    Ein weiteres dunkles Kapitel der Zeit der Apartheid hat bis heute große Auswirkungen auf die San-Community. Sie waren bzw. sind bekannt für ihre Jagd- und Sammelkünste, die südafrikanische Regierung zwang sie damals, die Spuren der Freiheitskämpfenden zu untersuchen und zu interpretieren. Mit anderen Worten: sie zwangen sie zur Kooperation um Freiheitskämpfer zu bekämpfen. Dies ist einer der Gründe, warum die San heute ein eher negatives Ansehen in der namibischen Gesellschaft haben. Die Männer berichteten uns von Situationen, wo sie ihre wahre Identität verneinten um dem Spott und dem Mobbing zu entgehen. Auch heute gibt es Kinder, die lieber verschweigen, dass sie San sind, da das eigene  Selbstbewusstsein als San so niedrig ist. 

    Ein weiteres Thema, von dem ich nicht mehr ganz weiß, wie wir darauf kamen, war der Konflikt in Israel und Palästina. Dies war das erste Mal, dass ich hier in Namibia wirklich mehr Verständnis für Israel als für Palästina gehört habe. Auch diese Diskussion verlief aber total sachlich und respektvoll (was eine nette Abwechslung). 

    Ich fand dieses Gespräch wahnsinnig informativ und ich freue mich auf weitere solcher Gespräche dieses Wochenende!

    Das Erste was mir bei Mukusuka auffiel war seine Ski-Brille, die trage er nur "cause I´m cool like that, you know?" Die Fahrt über liefen nur Lieder von Travis Scott und ein Feature von Beyonce. 

    Er ist ebenfalls Musiker und sein großer Traum wäre ein gemeinsamer Song mit Beyonce, am liebsten würde er mit seiner Musik durch die Welt reisen. Mit Südafrika würde er bald anfangen. 

    Er veröffentlicht seine Musik im Moment auf YouTube und Instagram - schaut gerne mal rein, ich bin nicht so der größte Fan vom Genre, aber vielleicht sagt er ja einem:einer von euch mehr zu :D

    Instagram: c_hype_

    Lukas brachte mich von der Mall wieder in meine Unterkunft auf dem Campus, spannenderweise hatte er ganz andere Ansichten zu Hage Geingob. Er beschwerte sich über ihn und seine Partei (SWAPO) und generell über das aktuelle System in Namibia. 

    Er erklärte mir, dass Parteien in Namibia sehr von den verschiedenen Bevölkerungsgruppen dominiert sind und die größte Bevölkerungsgruppe (Ovambo) die Partei SWAPO stelle. Andere Kandidaten hätten in Namibia so gut wie keine Chance einen Präsidenten zu stellen. Er gehöre zwar selber zu den Ovambo (wie etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung Namibias), er hält aber trotzdem nichts von der Partei. 

    Ich fand es sehr spannend, dass er so deutlich gegen Geingob war, besonders weil Ronny von der Fahrt davor ihn so hoch gelobt hatte. Lukas war sehr frustriert über das stockende politische System, in dem sich so schnell nichts ändern würde. 

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    Für (Groß-)Eltern gibt es noch ein paar kleine private "Specials" 😉