Content Note: Vergewaltigung, Gewalt
Wow! Ich sitze gerade in meinem Hotelzimmer und muss ganz schnell alles aufschreiben, aus Angst etwas zu vergessen. Ich hatte gerade ein super interessantes Gespräch. Ich kann euch diesmal leider keine Namen geben, da wir uns nicht vorgestellt haben, aber damit müsst ihr leben :D
Angefangen hat das Gespräch mit der Verbreitung von Afrikaans in Namibia und dem Fakt, dass alle diese Sprache in der Schule lernen. Plötzlich fragte einer der namibischen Männer, warum Menschen nur Entschuldigungen von Deutschland fordern für die kolonialen Verbrechen und den Genozid an den Herero und Nama und Südafrika in Frieden lassen. (Kontext: Namibia war nach der deutschen Kolonialzeit Teil von Südafrika und in der Zeit herrschte auch hier das Apartheidssystem)
Er erzählte uns von seiner Kindheit auf einer deutschen Farm, auf der seine Eltern arbeiteten. Er sprach von der finanziellen und materiellen Abhängigkeit seiner Familie der weißen Familie gegenüber und der Macht, die diese Abhängigkeit mit sich brachte. Er erzählte uns von körperlicher Gewalt auf der Farm und in der Schule und vom allgemeinen Rassismus in der Gesellschaft. Außerdem erzählte er uns vom systematischen Rassismus, der beispielsweise die Beziehung zwischen einer weißen Frau und einem schwarzen Mann verbot, auch wenn diese einvernehmlich war. Zeitgleich konnte ein weißer Mann aber eine schwarze Frau auf seiner Farm vergewaltigen ohne bestraft zu werden.
Sie erzählten uns von der Angst vor weißen Menschen und das Ohnmachtsgefühl das entstand, weil das System gegen sie arbeitete.
Sie erzählten aber auch von netten weißen Menschen, die schwarze Menschen unterstützten. Diese wurden aber oft von den einflussreicheren Farmbesitzern dazu gedrängt, sich den rassistischen Normen zu beugen.
Dieser Teil der Geschichte wurde bis heute kaum aufgearbeitet und hat noch Auswirkungen bis heute. Abgesehen von der Verteilung von Land und Ressourcen gibt es auch gesellschaftlich deutliche Spuren dieser Zeit. So bekommen Gruppen, die aus weißen und schwarzen Menschen bestehen auch heute komische Blicke oder Kommentare ab.
Ein weiteres dunkles Kapitel der Zeit der Apartheid hat bis heute große Auswirkungen auf die San-Community. Sie waren bzw. sind bekannt für ihre Jagd- und Sammelkünste, die südafrikanische Regierung zwang sie damals, die Spuren der Freiheitskämpfenden zu untersuchen und zu interpretieren. Mit anderen Worten: sie zwangen sie zur Kooperation um Freiheitskämpfer zu bekämpfen. Dies ist einer der Gründe, warum die San heute ein eher negatives Ansehen in der namibischen Gesellschaft haben. Die Männer berichteten uns von Situationen, wo sie ihre wahre Identität verneinten um dem Spott und dem Mobbing zu entgehen. Auch heute gibt es Kinder, die lieber verschweigen, dass sie San sind, da das eigene Selbstbewusstsein als San so niedrig ist.
Ein weiteres Thema, von dem ich nicht mehr ganz weiß, wie wir darauf kamen, war der Konflikt in Israel und Palästina. Dies war das erste Mal, dass ich hier in Namibia wirklich mehr Verständnis für Israel als für Palästina gehört habe. Auch diese Diskussion verlief aber total sachlich und respektvoll (was eine nette Abwechslung).
Ich fand dieses Gespräch wahnsinnig informativ und ich freue mich auf weitere solcher Gespräche dieses Wochenende!